6. Volksbank-Münster-Marathon am 09.09.07
Laufbericht von Gudrun
Mein Comeback
nach
18 Monaten Pause
Nach über 18 Monaten Zwangspause wegen meines schweren Unfall`s
ist das mein erster Marathon seit Barcelona 2006. Dementsprechend nervös
war ich auch schon bei der Fahrt vom Hotel in Altenberge, wo Wolle und ich
das Wochenende verbracht haben, nach Münster.
Wir finden auch schnell einen Parkplatz auf dem Hindenburgplatz fast in
Augenhöhe mit der Startbox. Ganz in der Nähe sehen (nein hören) wir Betty
und Sascha die sich noch die neuralgischen Stellen mit Vaseline
einschmieren. Um uns herum stehen einige hundert Autos, an denen sich
Läufer noch dehnen oder mit Muskelöl massieren und für den anstehenden
Marathon vorbereiten.
Dann kommt auch schon Jochen mit dem wir uns hier verabredet haben. Wolle
gibt ihm seine Startunterlagen die wir gestern für ihn auf der
Marathonmesse besorgt haben. In der Zwischenzeit ist auch Betty mit
Familienclan bei uns am Auto. Wir schiessen noch einige Fotos für unsere
Webseite und verabreden uns für nach dem Marathon beim Italiener.
Obwohl es mit ca. 10°C noch empfindlich frisch ist und ich noch keinen
Meter gelaufen bin ist mein Laufshirt schon schweissnass vor lauter
Nervösität. Der Gedanke, dass Wolle mich ab Kilometer 21 begleitet, lässt
mich dann wieder etwas ruhiger werden.
Jetzt macht sich auch noch der Frühstückstee bemerkbar und Wolle ermahnt,
dass wir nur noch 15 Minuten Zeit bis zum Start haben. Nach dem „Dixi-Aufenthalt“
sind es nur noch wenige Meter bis zum Startblock. Ich gehe zielstrebig auf
den 04:30 h Brems- u. Zugläufer zu und versuche ihm zu erklären, dass er
mich nicht aus den Augen verlieren darf.
Über
die Lautsprecher kommt noch ein lauter Mix aus Musik und Informationen für
Läufer und Zuschauer. Wolle macht noch ein paar Fotos von der
Startaufstellung der 04:30er und verlässt danach den Startblock. Was mag
wohl in ihm vorgehen, nach monatelanger Vorbereitung jetzt plötzlich auf
ärztlichen Rat nicht laufen zu dürfen?
Punkt 09:00 Uhr ertönt
der Startschuss. 5500 Läufer und Läuferinnen setzen sich langsam in
Bewegung. Nach 3 Minuten bin ich an der Startlinie. Es wird zwar noch
immer ein wenig gedrängelt und geschubst aber sonst verhalten sich alle
sehr diszipliniert.
Die Strecke ist ein Mix aus Stadt- und Landschaftslauf. Auf den ersten
Kilometern geht es zuerst Richtung Aegidiitor. Es folgt eine grosse
Schleife durch die Innenstadt zum Kanonierplatz, dem 1. Verpflegungspunkt
und anschliessend durch das Kreuzviertel zurück zur Innenstadt. Durch die
vielen engen Kurven und den parkenden Autos an der Laufstrecke ist es
schwer frei zu laufen und unser 04:30 h Pacemaker hat sichtlich
Mühe seinen Rhythmus zu finden.
Nach dem 2. Verpflegungspunkt am Servatiiplatz geht es über die
Kanalstrasse und Promenade zurück ins Zentrum (bei km10) und bekommen mit
einem Blick nach rechts auf den Prinzipalmarkt schon mal einen
Vorgeschmack auf das Ziel.
Fast an der gesamten Strecke stehen sehr viele Zuschauer und bejubeln uns
oder rufen unsere Vornamen die vorne auf der Startnummer stehen.
Ich fühle mich noch sehr gut und von meiner Nervosität ist nur noch wenig
zu spüren zumal sich bei Kilometer 4 Heike aus Münster zu mir gesellt hat
und mich mit ihren Marathonerlebnissen bei Laune hält ohne dabei aber den
Pacemaker aus den Augen zu verlieren.
Ab Kilometer 11 geht es auf der Bismarkstrasse entlang des Aasees, den wir
auf einer Brücke überqueren. (Der Aasee wurde zu Zeiten des Dritten
Reiches angelegt, ist 40 Hektar gross und 2,3 km lang. Er dient als
Regenwasserschutz und die Parkanlagen und Wälder drum herum als grüne
Lunge der Stadt).
Nach Kilometer 14 wird es merklich ruhiger. Wir haben die Stadt verlassen
und laufen jetzt durch die Vorstätte und Wohnsiedlungen. Die Strasse
gehört uns jetzt ganz alleine und wir nähern uns dem 6.Verpflegungspunkt
bei Kilometer 17,5 am Gievenbecker Weg.
Da ich am Vortag für km 10, 20, 30 u. 40 meine Trinkflaschen für die
Eigenverpflegung abgegeben habe fällt es mir leicht an den
Verpflegungsstellen Anschluss zu halten. Der leichte Nieselregen der
zwischenzeitlich für etwas Abkühlung sorgt hat auch aufgehört.
Jetzt sind es nur noch wenige Minuten bis zu dem Treffpunkt mit Wolle. Wir
haben uns auf der Steinfurter Strasse kurz vor Nienberge verabredet.
Hoffentlich verpassen wir uns nicht.
Heike, die immer noch neben mir läuft und zum 4. Male ihre Marathon
-Geschichten erzählt, meint: “Mein Mann ist zwar auch sehr zuverlässig
aber nie pünktlich“! Was will sie mir damit sagen?
Wir passieren die Halbmarathon-Zeitmessung und ich rief: “Da isser“! Mein
Gott war ich froh denn so langsam machten sich doch wieder die
verletzungsbedingten Beschwerden bei mir bemerkbar. Ab sofort kann nun
Wolle meine Trinkflasche tragen und für mich das Lauftempo bestimmen. Nur
mit der HM-Zeit ist er nicht ganz zufrieden denn mit 02:14:50 Std. ist der
ganze Tross am obersten Zeitlimit für eine 04:30er Endzeit.
Am PowerPoint 5, in Nienberge, einem 6800 Einwohner Städtchen im Norden
Münster`s, erleben wir Karneval im September. Hier scheint der ganze Ort
den Marathon zum Volksfest zu machen. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer
in den engen Strassen und bejubeln jeden einzelnen Läufer. Von einer
grossen Bühne erklingen Melodien von Abba und dutzende Kinderhände
strecken sich uns entgegen um abgeklatscht zu werden. Toll.
Nach Nienberge gehört die Strasse uns wieder ganz alleine denn die
nächsten 9 Kilometer über die Schonebeckerstrasse, Stodtbrockweg und
Bredeheide nach Roxel laufen wir nur durch unbewohntes Gebiet und gibt
Wolle Gelegenheit mir zu erzählen, dass er Betty, Annette, Kerstin und
Jochen auf der Strecke getroffen hat. Heike (die mit den
Marathon-Geschichten) will uns nicht stören und lässt sich ins Feld
zurückfallen.
Die vier kurvigen Kilometer durch Roxel sind äusserst kurzweilig. Wann
immer wir auch nur in die Nähe eines Hauses kommen, gibt es sofort wieder
was „auf die Ohren“.
Gleich darauf, bei Kilometer 31, überqueren wir die A1 in Richtung
Gievenbeck. Wolle`s Uhr zeigt 03:19:10 Std. und er signalisiert dem
Pacemaker dass er `ne „Schüppe drauflegen“ muss um rechtzeitig ins Ziel
zu kommen. Obwohl es auf der Roxeler Strasse Richtung Gievenbeck leicht
abwärts geht meine ich, dass sich der „Mann mit dem Hammer“ bei mir
anmeldet.
Viele Gedanken schiessen mir durch den Kopf. Habe ich doch zuwenig
trainiert?
Da der Zug-u. Bremsläufer uns jetzt schon mehrmals um ca. 50 m davongeeilt
ist bemerkt Wolle, dass ich mich etwas zurücknehmen muss um nicht
einzubrechen. Schnell teilt er einen Honig-Power-Riegel mit
Kirschgeschmack, von Europas grösstem Discounter, in kleine Stücke und
reicht sie mir zum Verzehr. Nach 3 Kilometer, mitten in Gievenbeck auf der
Mergelbergstrasse, muss der Power-Riegel meinen Magen wieder verlassen.
Ich werde von Krämpfen geschüttelt und Wolle fordert mich zum
Stehenbleiben auf. Hätt` ich doch lieber am letzten Verpflegungsstand ein
Stück von der Banane gegessen, aber jetzt ist es eh` zu spät und der Zug
für eine Zeit >04:30 h abgefahren.
Den Ballon vom Pacemaker sehe ich nur noch als kleinen gelben Punkt
vorne am Horizont und die Rock`n Roll Band auf der Bühne bei Kilometer 35
nehme ich gar nicht mehr wahr.
Jetzt wenigstens nur ankommen und lächelnd durch`s Ziel laufen sind meine
einzigen Gedanken. Zum Glück hält mich Wolle noch etwas zurück und ich
beginne nach ca. 1 Kilometer wieder langsam zu traben um dann aber auch
relativ schnell wieder meinen Rhythmus zu finden.
Bei Kilometer 40, direkt am Zentralfriedhof, trifft mich fast der Schlag.
Ich sehe auf der Robert-Koch-Strasse, ca. 150m vor mir, unseren Pacemaker
mit dem gelben „04:30er-Ballon“. Hat der etwa auch die gleichen Riegel
gegessen und dadurch den Anschluss verpasst?
Wir biegen bei Kilometer 41 in die Aegidii-Strasse ein wo die Zuschauer
rechts und links fast ununterbrochen in mehreren Reihen stehen. Wir
passieren den PowerPoint des WDR und die Cheerleaders sind auch noch kein
bisschen müde. Jetzt sorgen auch noch Trommler für eine weitere Steigerung
der Stimmung und wem die Beine schmerzen, vergisst es spätestens hier.
Die letzten 500m werden nicht gelaufen, man schwebt, getragen auf einer
Welle der Begeisterung von tausenden Zuschauern, die den Prinzipalmarkt in
eine einzige Jubelarena verwandeln.
Ich laufe über die Zielmatte und schaue nach oben auf die Zeitmessung.
Unglaublich!! Ich bin unter 04:30h geblieben. Die Mädchen mit den
Medaillen müssen mich regelrecht einfangen, damit ich nicht weiterlaufe.
Später beim Erdinger-Stand gesteht mir Wolle grinsend, dass er mich auf
den letzten 7 Kilometer mit 05:50min ins Ziel gezogen hat.
Durch diesen ungewollten Endspurt war das mein erster Marathon mit einer
schnelleren 2ten Halbmarathonzeit. DANKE WOLLE!!
Gudrun
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